Wie macht mensch anarchistischen Porno? Das ist – kurz gefasst – die Frage, die Marie und ich uns bei einem unserer ersten Gesprächen gestellt haben. Wie kann ein Porno gemacht werden, komplett ohne Ausgebeutete und Ausbeutende, ohne male gaze, ohne Menschen zu Objekten zu machen, ohne Reduzierung der Körper auf Organe, ohne Reduzierung der Körper auf ein Geschlecht? Wir haben uns einen Porno vorgestellt, der nicht wirklich ein Porno ist, halb Life Action Role Play (LARP), halb Autor*innenfilm, wo der sexuellen Begegnung Diskussionen vorausgehen und folgen, Diskussionen über Konsens, Care. Wo Regie führende Personen und Techniker*innen hinter der Kamera, aber nicht ausserhalb des Rahmens sind, wo die Montage gemeinsam gemacht wird und selber das Bild beeinflusst, Kamera on, eine Art Jam, eine Porno- Konfitüre über eine WG- Woche… Aber vor alldem müssen wir rausfinden was es mit Menschen macht, während einer sexuellen/ sinnlichen Handlung gefilmt zu werden? Welche Perspektive nimmt das Bild ein? Die der fotografierenden Person? Wir haben das Projekt nicht aufgegeben. Die Erfahrung, die wir nun teilen, trägt langsam, behutsam, dazu bei, die Meilensteine, die unsere erotische Zukunft leiten werden zu zeigen.
Das ist kein Porno, könnte mensch über diesen Abend sagen, an dem wir Vegi- Maki gemacht, über verbindende Beziehungen gesprochen, und Sex gehabt – fabriziert – haben. Drei Liebende, eine davon hinter dem Objektiv (ein digitales Film- Objektiv), die zwei Anderen davor, picken oder verschlingen sich gegenseitig mit Blicken und Lippen: ein Moment der Kompliz*innenschaft, des Austauschs, ein Moment der Liebe, des Verständnisses.
Das ist kein Porno… oder doch?
Sein Ekzem, meine Narben, unsere Begierde.
Unsere weissen, dünnen, muskulösen Körper, unsere Körper, die so sehr der Norm entsprechen dass ich mich schämen würde, sie auszustellen, in der Anhäufung ad nauseam von glatten und strukturlosen Bildern.
Aber erstmal gibt es meine Narben. Diese beiden roten Fluchtlinien auf meinem Torso, wie ein grosses FUCK von meinem Körper, adressiert an die Heteros, diese Typen die mich gefickt hätten auch wenn ich anarchistisch, geschärt, nicht binär bin.
Dazu kommen diese dumpfen, hochfrequenten Schmerzen unter meiner Haut, wie Giftlachen in meinen Fingern, meinen Schultern, Ellenbogen, diese scheiss Schmerzen, die nicht existieren, die mich aber davon abhalten zu schlafen. Die Fibromyalgie, das ist ironisch gemeint: ein weiteres, abgehäckeltes Kästchen im Herrschafts- Bingo.
Und dann sein Cis- Mann Körper, sein hochsensibler, neuroa Körper. Seine Arme, sein Gesicht, sein Rücken, sein Torso, seine Ohren, seine Knien, seine Schienbeine, sein Schädel werden von Ekzem kolonialisiert. Zwanzig Franken pro Woche für eine Crème, um nicht gänzlich auszutrocknen, zweimal, drei, viermal täglich. Dafür gibts kein Kästchen auf dem Bingo.
Unsere Sinnlichkeit, unser Begehren konstruiert sich auf Basis dieser Körper, auf vergangene Erfahrungen die sie heraufbeschwören. Körper die Care brauchen, gegenseitige Pflege, Aufmerksamkeit und das abseits des sexuellen Treffens.
Ich habe oft den Eindruck, dass in queeren Milieus Kinks, Quirks, Fantasien und Fantasmen weit weg von Vanilla höher gewertet werden, wie wenn es bei Vanilla- Sex zwangsläufig auf 10 minütigen Sex in Missionarsstellung hinauslaufen müsste.
Und ich habe den subjektiven, persönlichen Eindruck, und es kann nur ein Gefühl sein, dass anarchistische Menschen beim Sex Machtverhältnisse nicht weglassen, obwohl das Vermeiden von Machtverhältnissen doch das Wesen der An-archie ist.
Ich beobachte Praktiken, die Macht erotisieren misstrauisch: in Wirklichkeit meide ich sie, auch wenn ich in Gefahr laufe, untervögelt zu wirken. (Da dies jetzt gesagt ist: schert euch nicht um mich :)) was mich erregt ist die Gegenseitigkeit, die Gleichstellung, das Kümmern.
Meine Partner*innen in den Armen zu halten wenn sie sich unwohl fühlen, ihre Hand zu fassen wenn sie in Selbsthass verfallen oder Angstzustände erleiden, ihnen zu helfen medizinische Termine abzumachen oder ihnen Tee zu machen während sie von ihrem Liebeskummer erzählen, all das gehört zu meiner Konstruktion von sexuellem Begehren dazu, all das existiert, während ich sie umarme, berühre und sie bewundere für ihre Komplexität. Und mein Begehren erinnert sich an all die Male, in denen sie mir den Abwasch gemacht haben um meine Löffel zu retten, in denen sie mich massiert haben bis ich einschlafen konnte, in denen sie meinen düsteren Humor entschuldigt haben weil ich Schmerzen hatte, in denen sie mich zärtlich anlächelten während ich ihnen von Momenten erzählte, die ich mit anderen verbrachte.
Das ist kein Porno: Es ist ein Fenster zur Intimität von Menschen die sich umeinander kümmern.
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