Komplizenschaft und Queerphobie

Ein offener Brief an die politische Öko-Zeitschrift Moins!

Dieser offene Brief wurde im August 2025 geschrieben, in einem Kontext des zunehmenden Faschismus, der zu vermehrter Gewalt gegen queere Menschen und alle mit einer abweichenden Identität führt. Moins! ist ein politisches Ökologie-Magazin, mit dem wir seit mehreren Jahren zusammenarbeiten und mit dem wir wertvolle Kontakte teilen. Dieser offene Brief soll einen Beitrag leisten zu einer gemeinsamen Diskussion über die Schwierigkeit mit der die am stärksten vom Faschismus bedrohten sozialen Gruppen konfrontiert sind, wenn sie Allianzen mit Gruppen und Einzelpersonen eingehen, die auch Verbindungen zu Gruppen unterhalten, die zu unserer Unterdrückung beitragen.

Wir wissen, dass dies ein Thema ist, das derzeit viele Menschen beschäftigt, und freuen uns darauf, eure Gedanken zu diesem Thema zu lesen => evasions@riseup.net


Hallo Moins!

Wir haben die Exemplare eure letzten Ausgabe, in der wir einen Beitrag veröffentlicht haben, erhalten. Die Ausgabe ist spannend, vielen Dank dafür!

Allerdings waren wir ziemlich enttäuscht, in derselben Ausgabe einen Beitrag von Nicolas Casaux zu sehen, genauso wie wir es in der vorherigen Ausgabe mit dem Text über die Gruppe PMO waren. Beide sind offen transphobe und reaktionäre – reaktionär in dem Sinne, dass ihr politischer Kampf sich auf die Bewahrung einer starren Identität (die „wahre” Frau, der „echte” Mann) gegenüber dem konzentriert, was sie selbst als abweichend betrachten: unser Leben. 

Ein kurzer Blick auf die Website von Nicolas Casaux – auf die MOINS! in der letzten Ausgabe verwiesen hat – macht dessen reaktionäre Haltung unmissverständlich deutlich.

Für uns, ein Kollektiv mit anarchistischen, queeren, trans sowie sexarbeitende Realitäten (ein weiteres Schlachtfeld, das Nicolas Casaux in seiner Jagd auf Abweichungen in Fokus nimmt), wirft dies Fragen auf, auf die es schwierig ist, Antworten zu finden: Können wir in einer Zeit, in der der wachsende Faschismus uns mit Worten und Taten ins Visier nimmt, weiterhin revolutionäre Komplizenschaft pflegen, wie wir es seit Jahren mit euch tun, indem wir mehrere Kolumnen in eurer Zeitschrift veröffentlichen und gleichzeitig für eure Zeitung werben, während ihr Gruppen und Einzelpersonen eine Plattform bietet, die fröhlich zu den Angriffen beitragen, denen wir ausgesetzt sind? Wir wissen, dass ihr euch der problematischen Positionen sowohl von PMO als auch von Casaux bewusst seid. Dennoch verzichtet ihr nicht darauf, diese Positionen eine Plattform zu bieten. Es ist uns klar, dass ihr die Inhalte filtert, die von ihnen veröffentlicht werden, aber die Strategie „das Werk vom Künstler zu trennen“, reicht nie aus, um nicht dennoch für den Künstler zu werben. Die Verbindungen innerhalb unserer soizale Bewegungen aufrecht zu erhalten ist ein wichtiges Thema. Der Bruch zu Gruppen, die unserer Existenz offen feindlich gegenüberstehen, wie PMO und Casaux, ist für uns offensichtlich, aber was ist mit Gruppen wie eurer Zeitung, mit denen wir gemeinsame Kämpfe führen, die sich jedoch nicht von der Gewalt und der systemischen Unterdrückung betroffen fühlen, denen wir ausgesetzt sind, diese herunterspielen und denen Raum geben, die uns angreifen? 

Unsere Kämpfe durch die Prismen der Intersektionalität und der Konvergenz der Kämpfe zu betrachten ermöglicht uns eben auch uns umeinander zu kümmern und uns in unseren unterschiedlichen Realitäten zu unterstützen. 

Denn angesichts des Zustands der Welt, wenn ihr nicht versteht, warum eure queeren Kompliz*innen sich bis ins tiefste Innerste ihrer Existenz bedroht fühlen… dann habt ihr vielleicht keine queeren Kompliz*innen… sondern nur queere Kontakte.

Mit Wut und Liebe

Projet-Evasions


Unsere Artikel, die in der Zeitung Moins! veröffentlicht wurden.