The Anarchist Post Office

Im April 2024 haben wir während des Youmeoui-Festivals in Bern / Schweiz ein Werkzeug für internationale Solidarität entwickelt, das wir hier teilen wollen. Das Konzept kann sehr leicht exportiert werden. Wir haben es „The Anarchist Post Office“ genannt.

Die Idee ist ganz einfach. Wir bauten einen kleinen Briefschreibstand auf und luden die Besucher*innen des Festivals ein, sich fünf Minuten Zeit zu nehmen, um einen Brief, eine Nachricht, eine Postkarte oder eine Zeichnung an fünf verschiedene Kollektive zu schreiben, die an verschiedenen Kämpfen in der Türkei beteiligt sind. Auf diese Weise wurden etwa 30 Briefe, Zeichnungen, Postkarten und Collagen gesammelt. Die Menschen teilten ihre Erfahrungen über den Kontext der sozialen Kämpfe in der Schweiz, über die Dynamik und Arbeit ihrer eigenen Kollektive und politischen Projekte oder schickten einfach schöne Zeichnungen voller Kraft und Mut. Am Ende des Tages sammelten wir die Briefe und schickten sie per Post an die fünf Kollektive.

Mit dieser Initiative wollten wir :

  • Brücken zwischen unterschiedlichen und geografisch weit entfernten Kollektive schlagen.
  • Menschen in der Schweiz inspirieren, indem sie von der Existenz und den Aktivitäten dieser Kollektive erfahren.
  • Den Menschen in der Türkei Motivation und Unterstützung zukommen zu lassen, indem sie mehrere Briefe in Papierform erhalten, die speziell für sie angefertigt wurden.

Genauso wie das Versenden von Emojis nicht vergleichbar ist mit der Intensität seine Gefühle live mitzuteilen, kann die Wirkung eines Likes auf Instagram nicht mit dem Erhalt eines Briefes in Papierform verglichen werden. Für uns war es wichtig, diese Solidarität auf konkretes Material zu übertragen, dass es greifbar ist. Dass die Menschen bei der Ankunft der Briefe verstehen, dass am anderen Ende der Welt andere Menschen sich Zeit und Energie genommen haben ihre Unterstützung und Solidarität auszudrücken.

Unsere Wahl der Kollektive fiel auf befreundete antiautoritäre Initiativen, aber auch auf Gruppen, die in dem Kontext, in dem sie sich befinden, nur wenig Resonanz und Unterstützung erfahren.

die gesammelte Briefe.

Hier sind die fünf, die für diese erste Ausgabe ausgewählt wurden:

  • Orospuya övgü – Autonomes Kollektiv von und für Sexarbeiter*innen.
  • İyileşme Çizimleri – Queeres und antispeziesistisches Zeichenprojekt zu Themen der Posttraumatischen Belastungsstörung. Das Projekt existiert auf Kurdisch, Türkisch und Englisch.
  • Istanbul Trans Pride Week – Antiautoritäre Versammlung von Trans-, Queer- und Sexarbeiter_innen zur Organisation des diesjährigen Trans Pride Marsches gegen hierarchische Organisationsmodelle.
  • Kara Pembe Anarşi (Schwarz-Rosa Anarchie) – queer-anarchistische Gruppe aus Izmir, die Solidaritätsveranstaltungen organisiert und Widerstand gegen das Patriarchat und den Staat leistet.
  • Esra Arıkan Solidarity Network – autonome Initiative, die sich für Trans-Gefangene – insbesondere Esra Arıkan -, Migrant*innen und Flüchtlinge in der Türkei einsetzt.

Das Konzept lässt sich leicht exportieren und für weitere Veranstaltungen wiederverwenden.

Und zwar so :

  1. Stellt bei einer lokalen Veranstaltung (Festival, Tattoo-Zirkus, Buchmesse, Partys, Klausurtagungen usw.) einen kleinen Stand zum Schreiben von Briefen auf.
  2. Wählt Kollektive aus, mit denen ihr Solidarität zeigen wollt. Es können verschiedene Kollektive von einer gleiche Region sein oder verteilt über den ganzen Globus. Findet für jedes Kollektiv eine Postanschrift. Informiert euch über die jeweiligen Kollektive, damit ihr eventuelle Fragen der Besucher*innen beantworten können.
  3. Stellt Papierbögen, Stifte, Leckereien, Briefmarken, farbige Marker und Umschläge bereit, um die Kreativität anzuregen.
  4. Erstellt eine klare Erklärung für die Besucher*innen. Es ist nicht immer leicht, den Schritt zu wagen und einen Brief an Menschen zu schreiben, die mensch nicht kennt. Mensch weiß nicht, was schreiben oder wie die Menschen anzusprechen. Bei unseren ersten Erfahrungen haben wir deutlich gemerkt, wie wichtig es ist, die Leute an die Hand zu nehmen, ihnen das Konzept zu erklären, ihre Fragen zu beantworten, sie zu ermutigen, warmherzig zu sein, Tee anzubieten… Passiv hinter dem Stand zu sitzen, funktioniert nicht… Im besten Fall schauen die Leute neugierig auf den Tisch und gehen dann weiter, im schlimmsten Fall sind sie eingeschüchtert und kommen nicht näher. Denkt auch daran, ein paar Stühle aufzustellen, damit die Leute in Ruhe schreiben können.
  5. Vergesst nicht zu empfehlen, dem Brief einen Kontakt hinzuzufügen, wenn die Absender*innen mit den Empfängern*innen in Kontakt bleiben möchte.
  6. Sammelt alle Briefe und bringt sie zur Post.

Und wiederholt das Ganze bei dem nächsten coolen Event.