Epectase entstand aus dem Wunsch heraus, verschiedene Ansätze, Reflexionen und Visionen rund um Erotik zusammenzuführen. Eine wilde Erotik, die sich nicht in Normen, Etiketten oder moralischen Urteilen einsperren lässt. Eine Erotik, die versucht, sich von unterdrückenden Mustern und Autoritätspositionen zu emanzipieren.
In dieser Ausgabe befindet sich ein Interwiev der Zeitschrift Epectase von der Zeitschrift Epectase. Wir veröffentlichen es hier erneut.
Interview mit der Zeitschrit Epectase
Hallo, danke, dass du an diese Interview teilnimmst. Kannst du dich zu Beginn kurz vorstellen?
Hi, ich möchte eine gewisse Anonymität wahren und werde mich daher hier nicht zu sehr beschreiben. Sagen wir einfach, ich identifiziere mich mit keiner Geschlechtsidentität und trage in meinem Herzen einen brennenden anarchistischen Wunsch nach Freiheit und eine tiefe Feindseligkeit gegenüber allen Formen von Autorität. Ich sehe mein Leben als Abenteuer und lebe seit langem eine sehr unterschiedliche und vielfältige Sexualität, mit all ihren Fehlern und Schönheiten, aber immer begleitet von viel Nachdenken und Entwicklung. Das hat mich dazu inspiriert, dieses Projekt zu starten..
Eben, kannst du uns mehr darüber erzählen. Wie ist die Zeitschrift Epectase entstanden?
Ursprünglich wollte ich eine Sammlung von persönlich erlebten erotischen Anekdoten und Geschichten schreiben und veröffentlichen. Aber bei näherer Betrachtung war mir das zu egozentrisch und ich beschloss, die Beiträge für meine Freund*innen und Kompliz*innen zu öffnen. Daraus entstand die erste Ausgabe von Epectase. Später hatte ich Lust, das Konzept noch weiter zu öffnen, und so wurde es zu einem komplett partizipativen Projekt. Der Grundgedanke war, dass es uns außerhalb des Mainstream-Pornos und der Hollywood-Romanzen an Darstellungen rund um Sexualität, Erotik und Verführung mangelt. Es gibt zwar immer mehr feministische Pornos, die aber paradoxerweise oft einen Hype und eine Unerreichbarkeit erzeugen. Gleichzeitig habe ich viele Menschen getroffen die sich diese Themen wieder aneigneten und sehr interessante Dinge erlebten. Das ist es, was ich mit diesem Magazin wollte, eine Plattform bieten um diese Ansätze sichtbar zu machen. Experimente und Überlegungen ohne Hierarchien zwischen ihnen. Jeder Körper ist schön und alle Wege sind interessant.
Erotik ohne Etikett oder Autoritätshaltung, was ist das?
Als ich älter wurde, stellte ich schnell fest, dass jedes Etikett, das man mir anheftete, meine Freiheit durch die damit einhergehenden Anordnungen einschränkte. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Sexualität und des Geschlechts. Ich erkenne mich in keinem Geschlecht wieder, gerade weil die Anordnungen und Erwartungen, die mit der Tatsache einhergehen, dass ich als Mann oder als Frau gesehen werde, mir Gewalt antun. Wenn ich mit einer Person schlafe, die als gleichgeschlechtlich angesehen wird, wird dies auf homosexuellen Sex reduziert, obwohl es in Wirklichkeit ein einzigartiger Moment zwischen mir und der anderen Person ist. Ohne Etikett bedeutet für mich, meine geschlechts-spezifische Erziehung zu verlernen und mir meine Sexualität, meinen Körper, meine Fantasien, meine Kleidung usw. anzueignen. Es bedeutet, mit vorherrschenden Normen und Codes zu brechen, ohne dazu beizutragen, dass neue Anordnungen und Legitimitäten zu schaffen, die einer anderen überlegen ist. Durch das Aufzeigen von erotischen Erfahrungen versuche ich diese Formen der Hierarchie zu durchbrechen. Ob das funktioniert, ist eine andere Frage (lacht).
Gibt es wirklich eine politische Erotik?
Natürlich gibt es das. Wenn das Patriarchat unsere sexuellen Fantasien und Praktiken beeinflusst und die Popkultur uns Liebesbeziehungen als das einzige Modell verkauft, ist das politisch. Meine Vorstellung wäre, dass unsere Erotik auch von unseren Kämpfen und Revolten genährt wird. Erotik ist nicht etwas Universelles (nichts ist universell), sondern wird im Rhythmus unserer Vorstellungswelt, unserer Erfahrungen und Begegnungen aufgebaut und dekonstruiert.
Wie läuft die Erstellung einer Ausgabe von Epectase praktisch ab?
Die Zeitschrift erscheint alle sechs Monate. Sobald die Beiträge gesammelt sind, mache ich mich an den lustigsten Teil: das Layout. Die Arbeit der Herausgabe und Verbreitung wird von einem etwas größeren Kollektiv, dem „projet-evasions“, getragen. Es werden 400 Exemplare gedruckt und über das Verbreitungsnetz des „projet-evasions“ verteilt. Gleichzeitig können die Zeitschriften gegen Spende im Internet bestellt werden unter projet-evasion.org. Dort findet sich auch eine Liste von Buchhandlungen, Cafés und kulturellen Einrichtungen, in denen die Zeitschriften erhältlich sind. Die digitale Wirkung ist ziemlich international, was sich auch in der Vielfalt der beteiligten Personen widerspiegelt. Was die Papierversionen betrifft, so werden sie derzeit hauptsächlich in der Schweiz und den Nachbarländern vertrieben. Ich suche übrigens aktiv nach Kompliz*innen, die daran interessiert sind, sich an der Verbreitung zu beteiligen, in einer Stadt oder einer Region. Es würde darum gehen, die Zeitschrift weiterzuleiten, an Orte, an denen sie verbreitet wird, oder an Personen, die sie über die Website bestellen. Interessierte können sich hier melden: evasions@riseup.net
Welche Schwierigkeiten sind bei diesem Projekt aufgetreten?
Eine Frage, mit der ich mich seit Beginn des Projekts beschäftige, ist, wie mensch dafür sorgen kann, dass alle Arten von Körpern und Identitäten sich legitimiert fühlen, den Platz einzunehmen, den diese Zeitschrift bietet. Wie können wir verhindern, dass wir durch die Überrepräsentation von Körpern, die den Schönheitsnormen entsprechen, zur Stärkung sozialer Normen beitragen? Das ist eine Frage, auf die ich noch keine befriedigende Antwort gefunden habe, außer dass ich nicht nach Beiträger*innen suchen möchte, um diese Vielfalt künstlich zu erzeugen. Das würde bedeuten, Menschen darauf zu reduzieren, dass sie nicht den geltenden Normen entsprechen, was ich für recht problematisch halte. Es gibt also keine Antwort, aber immerhin das Gefühl, dass die Teilnehmer*innen immer vielfältiger werden, was ein gutes Zeichen ist. Eine weitere Problematik ist das Geld. Unsere Mittel sind, sagen wir mal, eher begrenzt. Ohne die solidarische Unterstützung der Druckerei könnte das Projekt wahrscheinlich nicht weitergeführt werden. Daher ein Hinweis an alle großzügigen Seelen : Lasst das Geld fliessen.
Gibt es noch etwas?
Ein großes Dankeschön an die 40 Personen, die ihre Beiträge zu diesen vier Ausgaben von Epectase beigesteuert haben, und an alle, die bei den Übersetzungen, dem Druck und der Verbreitung geholfen haben.